Eindringlicher FCW-Appell an der Gemeindeversammlung

Aufatmen in Weisslingen. Die ausserordentliche Gemeindeversammlung am 19. Februar stimmt im zweiten Anlauf mit "Ja" zum (überarbeiteten) Budget 2018. Damit ist der Worst-Case - die Zwangsbeschränkung, nur noch unerlässliche Ausgaben tätigen zu dürfen - abgewendet. Der FC Weisslingen wird von der Gemeinde für den Unterhalt der Sportplätze unterstützt, wofür wir dankbar sind. Und dennoch war es an der Zeit, auf dringend notwendige Investitionen in kommenden Jahren hinzuweisen. In einer Brandrede appellierte FCW-Vizepräsident Olaf Irrgang an die Exekutive, Investitionen künftig "mit Vernunft und Herz" zu priorisieren.
Irrgang konnte erst sprechen, nachdem Gemeindepräsident Conzett die Versammlung darüber abstimmen liess, das Statement des Nicht-Stimmbürgers (seit 26 Jahren im Sozialwesen tätig, aktuell auf der Stadt Dübendorf und seit Oktober 2016 Vizepräsident im FCW) zuzulassen - ein erstmaliger und erstaunlicher Vorgang. Immerhin ist der FC Weisslingen mit 180 Aktiven aus Familien mit über 300 Stimmbürgern einer der grössten Vereine der Gemeinde. Mit grosser Mehrheit votierten die 292 stimmberechtigten Wisligerinnen und Wisliger dafür, dem "Gast" das Wort zu erteilen. Nach Ende der Rede bekundeten sie gar ihre Zustimmung und applaudierten, obwohl der Präsident zu Beginn der Versammlung noch darauf hingewiesen hatte, dass "Applaus unerwünscht" ist, um nicht das Wählerverhalten zu beeinflussen.
Hier die Rede im Original-Wortlaut:
Vielen Dank für das Votum.
Entschuldigen Sie, dass ich Hochdeutsch spreche. Zu meiner Ehrenrettung kann ich aber sagen, dass ich kein Deutscher, sondern Bayer bin.
Sehr geehrter Herr Präsident
Verehrte Anwesende
Auch der FC Weisslingen empfiehlt in der Abstimmung ein Ja. Niemand hat ein berechtigtes Interesse daran, dass nur noch unerlässliche Ausgaben getätigt werden dürfen. Aber die Situation, in die sich Weisslingen bis hierher hineinmanövriert hat, macht deutlich: Heute ist der Tag, um auf etwas viel Grundlegenderes hinzuweisen.
Herr Präsident, auf einer Veranstaltung 2016 reagierten Sie auf die Frage, ob Instandhaltungskosten nicht überproportional steigen, wenn man jahrelang nicht investiert, mit einer Gegenfrage: „Soll man denn alles verrotten lassen?“
Und tatsächlich: Sie helfen uns und vielen anderen mit dem neuen Budget, damit nichts verrottet.
Aber mir gefiel ein anderes Statement von Ihnen am 6. April 2016 viel besser. Sie zitierten Emilie de Girardin mit dem Satz: „Gouverner c’est prévoir“. Voraussicht ist etwas vom Wichtigsten beim Regieren.
Vorausschauen, priorisieren, planen und später umsetzen, was man will, ist tatsächlich wesentlich angenehmer, als in eine Zwangssituation geraten und tun zu müssen, was schmerzt.
Heute haben alle Schmerzen. Solidarisch muss verzichtet werden - die einen mehr, die anderen weniger.
Wir sind mega dankbar – verstehen Sie mich nicht falsch - dass uns die Gemeinde unterstützt. Es ist etwas anderes, was zu denken gibt. Nicht nur, dass wir vertragslos sind (die Nutzungsvereinbarung ist per 31.12. nach 25 Jahren abgelaufen) oder dass wir aktuell sogar eine Weisung des SFV nicht einhalten können, was vor allem den Eltern kickender Kinder Sorgen bereitet ob der Unfallgefahr und des Versicherungsschutzes. Nein, es geht hier wirklich um etwas viel Grösseres …
Hier sitzen verdiente Menschen vom TV, dem TC, Pfadi Diviko, Samariterverein, Schützenverein, Verschönerungsverein, Trampolin, Volley Wislig, Musikverein, Loipeschlicher, Jugendarbeit von Nadine Kaufmann, Guggemusik, Gönnerverein usw. … sorry, dass ich nicht alle aufzählen kann. Keiner von denen macht das wegen Geld. Was aber paradox ist: sie werden es irgendwann nicht mehr tun können, wegen dem Geld.
Noch verrottet nichts. Aber der immer höhere Anteil von Fremdkapital macht doch dringend notwendige Investitionen immer unwahrscheinlicher.
Und warum? Gouverner c’est prévoir! Die Voraussicht hat gefehlt und es gab offenbar andere Dinge, die wichtiger waren.
Wie fühlt sich eine Jugendarbeiterin, ein Fussballtrainer oder eine Pflegefachfrau, wenn sie etwas für die Allgemeinheit machen, was unbezahlbar ist, aber hören: „Die Kosten, die Du verursachst, sind zu hoch. Und Investitionen sind erst gar nicht möglich“?
Die Gemeindefinanzen werden zur Guillotine für gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vereinsleben in Wislig, wenn es in kommenden Jahren keinen Spielraum für dringend notwendige Investitionen gibt.
Ich habe den Eindruck: Den einen geht es um Menschlichkeit. Den anderen ums Geld. Das erinnert mich an die Frage eines bayrischen Philosophen: „Muss man denn einen Mund operieren, nur weil der Löffel zu gross ist?“
Wir jammern nicht. Wirklich nicht. Aber Sie selber, Herr Conzett, Sie sagten am 4. April 2015 dem Landboten: „Wir haben als Behörden den Auftrag, Visionen aufzuzeigen.“ Und Herr Castioni wurde in der Thurgauer Zeitung zu einer Zeit, als er für das Amt des Kreuzlinger Schulpräsidenten kandidierte, so beschrieben: „Er entscheidet nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herz.“ RPK-Präsident Bischofberger sagte im letzten September: “Jugendarbeit braucht es unbedingt“.
Bitte, bitte, halten Sie Wort. Agieren Sie visionär, vermeiden Sie finanzielle Zwangssituationen wie jetzt und priorisieren Sie Investitionen richtig. Ich will unsere Kicker aus über 200 Wisliger Familien nicht nach Russikon, Fehraltorf, Kempttal oder sonstwo hin verabschieden. Unser Herz schlägt hier, unser Verein ist hier, unsere Heimat ist hier. Und wir wollen, dass das auch in 10 Jahren noch so ist.
Der FCW hofft - auch im Sinne der anderen für das Gemeinwohl agierenden Vereine und Institutionen - dass die Rede unter die Haut ging. Wer die sportliche und ideelle Heimat der Wisliger erhalten will, muss künftig bereit sein, Investitionen zu tätigen. Es gibt Werte, die dürfen nicht am Preis (den Kosten) bemessen werden. Diese zu erkennen und zu priorisieren ist entscheidend dafür, ob die Vereine (und damit das Gemeinwohl) eine Überlebenschance haben - oder nicht.